Die Stuttgarter Standseilbahn, meist nur als Seilbahn bezeichnet, stellt die einzige Anbindung an das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs für den Waldfriedhof und den Dornhaldenfriedhof dar. Zusammen bilden sie Stuttgarts größte Friedhofsfläche. Der Waldfriedhof ist neben dem Pragfriedhof und dem Hauptfriedhof eine der bedeutendsten Begräbnisstätten in der Stadt.
Aufgrund ihres Zieles hat die Bahn schnell verschiedene Beinamen erhalten, wie z.B. 'Erbschleicherexpress', 'Lustige-Witwen-Bahn', oder auch 'Witwen-Express'. Noch heute wird die Bahn vor allem von älteren Personen genutzt, um auf dem Friedhof zu den Gräbern ihrer Angehörigen zu gelangen. Mundartlich kann man auch immer wieder den Namen 'Schnürlesbahn' hören, wenn über die Seilbahn gesprochen wird.
In den letzten Jahren erfreut sich die Seilbahn aber auch zunehmender Beliebtheit bei Touristen und Wandergruppen, da sie, wie die 'Zacke' u.a. ein Bestandteil der Wegstrecke des 'Blaustrümpfler-Wanderweges' ist.
Am 30. Oktober 1929 wurde die Standseilbahn in Betrieb genommen. Sie war damals die erste Standseilbahn Deutschlands mit automatischer Steuerung. Dies bedeutet, dass der Zugführer zum Start lediglich eine Taste zu drücken hat. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Auch wurde an dieser Strecke seitens der SSB damals der erste 'automatische' Ticketverkauf eingeführt. Beide Neuerungen waren der Personalreduzierung geschuldet, da sich der Betrieb der Bahn von Beginn an kaum rechnete, da er lediglich den Friedhofsbesuchern diente. Durch diese Automatisierungen konnten sowohl der Maschinist, wie auch der Schaffner eingespart werden und die Bahn lediglich mit den zwei Zugführern betrieben werden. Zudem waren die Zeiten damals geprägt von der Wirtschaftskrise. Doch trotz der Personalreduzierung ist die Bahn seit ihrer Eröffnung nie kostendeckend auf der Strecke unterwegs, stellt aber zu den möglichen Alternativen das wirtschaftlichste Verkehrsmittel zu den beiden Friedhöfen dar. Ihren erfolgreichsten Tag hatte die Bahn am 23. November 1930, als sie von 6.671 Personen genutzt wurde.
Die gewählte, leicht geschwungene Streckenführung von der Talstation in Heslach bei 297 m ü. NN zur Bergstation auf dem Waldfriedhof in Degerloch bei 382 m ü. NN ist ebenfalls dem damaligen Kostendruck geschuldet. Auch wollte man die Abholzung von Bäumen durch den Wald auf ein Minimum reduzieren.
Die beiden noch heute auf der Strecke verkehrenden Wagons sind noch die Original-Wagons aus dem Jahr 1929. Auch für damalige Verhältnisse waren diese mit ihren Holzbänken recht spärlich und unkomfortabel ausgestattet. Aber auch hier wurde damals gespart und die Ausstattung auf ein Minimum gebracht.
Heute verfügen die Wagen mit ihrer Teakholzausstattung über einen Charme, welchen modernere Bahnen wohl kaum bieten könnten. Zudem sind viele heute der Meinung, dass diese 'Holzklasse' einer Friedhofsbahn angemessen wäre.
Auch die beiden Stations-Häuschen in ihrem schlichten, puristischen Bauhaustil zeugen von der damals sparsamen Gestaltung.
Im Jahr 2003 hat der Standseilbahn das Aus gedroht, da sie aufgrund neuer internationaler Vorschriften nicht mehr betriebssicher gewesen ist. Nach einigem Zögern hat man sich dann aber doch durchgerungen und die umfangreichen Sanierungen durchgeführt. Diese liefen, obwohl man viel Liebe zum Detail gezeigt hat, relativ zügig ab und so wurde die Standseilbahn in Stuttgart sogar die erste EU-zertifizierte Standseilbahn Europas. Im Zuge der Sanierungen sind an der Bergstation sowohl die Antriebscheiben, wie auch der Seilzug unter Glas für die interessierten Fahrgäste sichtbar gemacht worden.
Auf der Strecke verkehren zwei Wagons, welche gegenläufig auf der Spur sind. Sie verkehren fast geräuschlos nach dem Gewichtsausgleichsprinzip. Da sie an dem Seil miteinander verbunden sind, fahren sie, egal wie schnell sie auf der Strecke unterwegs sind, immer in gleicher Geschwindigkeit. Auch ist ihr Abstand am Seil immer gleich. Unabhängig davon, ob sie sich auf einander zubewegen, oder voneinander entfernen. Und so treffen sie sich immer auf demselben Gleisabschnitt, welcher zweispurig ist, im Gegensatz zum Rest der 536 m langen Strecke. Das steilste Stück der Strecke auf den 85 m Höhendifferenz hat eine Neigung 28,2 %.
Die Fahrt dauert rund 4 Minuten und führt quer durch den Wald. Vom lauten und oft hektischen Südheimer Platz kann man so einfach dem Trubel entfliehen und in wenigen Minuten die Ruhe des Friedhofs genießen, welcher mit seiner Weitläufigkeit auch viele Spaziergänger anlockt.
In der Karte haben wir die Talstation gekennzeichnet. Leider ist die Streckenführung nicht in der Karte eingezeichnet.